Stephan Janitzky is walking down a street in Zurich whilst I write. That was the plan. There are even eyewitnesses that saw him do so. And then he suddenly walked through an invisible door. Nobody saw that. He probably did not even know he would do that. Even the things he has knowledge of, he likes to keep a secret. It is incredibly hot and humid, everything has gone soft. So, he is walking down the street, turns a corner and nobody knows where he has gone to. He is just gone. That happens frequently. It just all seemed so clear and now suddenly not so. During Janitzky's disappearance, I continue writing on page 12 of the Frankfurter Allgemeine Zeitung no.199, because no other paper is at hand and I am waiting in line at the hairdresser 'Schick' on the Große Bergstr. Now I am writing along the edges of a smoking Chaim Lubelski film-still, who says: "My whole attitude to life is actually good in a negative sense".
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I went to the hairdresser to see hair fall on paper, because hair falls in the exhibition – fake hair, made of plastic. I already passed this shop window once, together with Janitzky. When we meet, we always walk past something, talking about where to go to next. These are places that one passes through and which pass by, only slowly beginning to realize that these places are not arbitrary, but specifically chosen with enough vagueness to suffice. These places stem from an array of possibilities, so that more options can become a possibility. Last time when we only looked through the window briefly and saw the bench where I now sit writing, we moved on quite quickly, 300m down the road, and sat down in front of a Turkish takeaway. The chairs were still out, but the spit had been cleaned. It was an inviting transitional place from which it was inevitable we would move. This is only partly significant, but the exhibition could nevertheless be a translation of the orderliness at 'Schick'. The hairdressers habitually drink Red Bull in front of photographs of plants. In between the scissors and utensils, next to the washbasins, red and blue cans lay strewn. Some have already been opened, in spite of it being half-past nine in the morning, others wait for their turn. It is only indirectly about the drink though. It is not all about the bull, more about the red. Even the other bottles, the hairsprays and soaps, have absurd names containing the word red – Red Vision or Red Rain – which people in agencies come up with. Even the owner is clad in a red shirt. It is easy to imagine him sitting down after a hard day's work, to cut bits of red paper from the local newspaper advertisements, to calm his nerves. Subsequently he stacks them up next to the mirror, so that in the morning they can be used to wipe the razors clean of soaped and shaved hairs. The recycling of newspaper advertisements for the collection of hair, suddenly mixes with FAZ news – Kazuo Ishiguro has sold his trash to the University of Texas for half a million dollars. Instead of a trashcan, the author of The Remains of the Day uses a cardboard box placed beneath his desk. When that is full, he carries it to his attic and fills the contents into plastic boxes. It became a routine, to hoard that which fell. Maybe it was just easier than having to carry it down onto the street. In any case, he acquired worth in that he did less and took his time. His trash is made up of executed actions, which had not yet been recognized as being of any worth but had been left in a place in-between.Text: Hans-Christian Dany
Während ich schreibe geht Stephan Janitzky in Zürich eine Straße hinunter. Das war der Plan. Es gibt auch Zeugen, die ihn gesehen haben. Dann ist er plötzlich durch eine unsichtbare Tür gegangen. Das hatte keiner gesehen. Wahrscheinlich hat er es selbst vorher nicht gewusst. Auch von dem, was er weiß, verschweigt er ständig etwas. Es ist unglaublich heiß und sehr schwül, alles ist ganz weich geworden. Er geht also auf der Straße, biegt ab und keiner weiß, wo er sich befindet. Er ist einfach weg. Das passiert laufend. Gerade schien noch alles sonnenklar und plötzlich ist nichts mehr zu erkennen. Während Janitzky verschwunden ist, schreibe ich weiter auf der Seite 12 der Frankfurter Allgemeinen Zeitung Nr. 199, weil gerade kein anderes Papier zur Hand ist, und warte darauf, beim Friseur Schick auf der Großen Bergstrasse, an die Reihe zu kommen. Jetzt schreibe ich entlang der Ränder eines Filmstills des rauchenden Chaim Lubelski, der von sich sagt, „Meine ganze Einstellung zum Leben ist eigentlich sehr gut im negativen Sinne“.
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Zum Friseur bin ich gegangen, um zu beobachten, wie Haare auf Papier fallen, weil in der Ausstellung Haare fallen, künstliche Haare, aus Plastik. An dem Fenster des Ladens bin ich mit Janitzky schon einmal vorbei gegangen. Wenn ich ihn treffe, gehen wir immer irgendwo vorbei, um darüber zu reden, wo wir noch hingehen könnten. Es sind Orte, die passiert werden, durch die man hindurch geht und die an einem vorbeiziehen. Du verstehst erst langsam, diese Orte sind nicht irgendwo, sondern genau gewählt, damit in ihnen genug unbestimmtes bleibt. Sie entstammen einer Vielfalt an Möglichkeiten, um weitere Möglichkeiten zu eröffnen. Wir haben damals nur kurz durchs Fenster geschaut und die Bank gesehen, auf der ich jetzt schreibe, sind aber gleich weitergegangen. Dreihundert Meter später haben wir uns vor einem türkischen Imbiss hingesetzt. Die Stühle standen noch draußen, aber der Spieß war schon abgeschraubt. Es lud ein als Transitsituation, in der absehbar war, es würde bald weitergehen. Das hatte alles bedingt Bedeutung und trotzdem könnte es sich bei der Ausstellung um eine Übersetzung der Ordnung bei Schick handeln. Vor abfotografierten Pflanzen trinken die Friseure ständig Red Bull. Zwischen den Scheren und Apparaten neben dem Becken stehen schon rotblaue Dosen. Manche sind bereits geöffnet, obwohl es erst halb zehn ist, andere warten noch darauf. Dabei geht es nur indirekt um das Getränk. Sicher geht es nicht um das Bull, aber bestimmt um das Red. Auch alle anderen Gefäße, das Haarspray und die Seifen tragen absurde Namen, die sich Leute in Agenturen ausdenken, in denen Red vorkommt. Red Vision oder Red Rain. Selbst der Besitzer trägt ein rotes Hemd. Und es ist leicht vorstellbar, wie er abends darin mit einer Papierschere dasitzt und, um sich zu beruhigen aus lokalen Anzeigenblättern ganz gleichmäßige Papierstücke ausschneidet, auf denen rote Dinge abgebildet sind. Anschließend legt er sie neben dem Spiegel zu einem Stapel. Dort werden sie am Morgen an die Reihe kommen, um als Unterlagen für das Rasiermesser zu dienen und um daran die eingeseiften und abrasierten Haare abzustreichen. Das Recycling der Anzeigenblätter als Fänger für Haare vermischt sich plötzlich mit einer Nachricht der FAZ. In der steht, Kazuo Ishiguro hätte seinen Abfall für eine Million Dollar an die Universität Texas verkauft. Anstelle eines Papierkorbs hatte der Autor des Bestsellers W as vom Tage übrig blieb i n den neunziger Jahren begonnen, einen Pappkarton unter seinen Schreibtisch zu stellen. Wenn der voll war, trug er ihn auf den Speicher und füllte den Inhalt dort in Plastikkisten um. Er machte eine Routine daraus, zu horten, was runterfiel. Vielleicht war das einfach unaufwendiger, als den Inhalt des Abfalleimers runter auf die Straße zu tragen. In jedem Fall hat er Wert hergestellt, in dem er weniger tat und sich Zeit ließ. Sein Abfall bestand aus Handlungen, die er getan hatte, noch nicht als wertvoll erkennen konnte, die aber in einem Zwischenraum liegen geblieben waren.Text: Hans-Christian Dany